Fundstücke aus der Winterbacher Geschichte (5)

Wie aus dem Frondienst der Bauhof wurde

Vom Mittelalter bis in die Neuzeit waren die Bauern Leibeigene. Sie unterstanden der persönlichen Verfügungsbefugnis des Leibherrn, waren also „unfrei“. Im Rahmen dieser Leibeigenschaft waren die Bauern auch zu Frondiensten verpflichtet.
Zu den Frondiensten (Herrschaftsdiensten) gehörten verschiedene Dienste, die zum einen für die Herrschaft und zum anderen für die Gemeinde zu leisten waren. Für die Herrschaft waren insbesondere die sogenannten Hand- und Spanndienste (Fuhrleistungen mit Pferden und Ochsen) und die Jagdfron, zu leisten. Bei der Gemeinfron wurden Straßen, Wege, Bachläufe, Stege und Brücken unterhalten, aber z. B. auch Wildschutzzäune der Waldweide erstellt und dichtgehalten.

Im Jahr 1817 hat König Wilhelm I. in Württemberg die Leibeigenschaft aufgehoben. Als diese aufgehoben wurde, die Bauern also frei wurden, musste die Gemeinfron, also die Arbeiten für die Dorfgemeinschaft, trotzdem weiter durchgeführt werden. Bürgermeister i. R. Erich Hinderer nennt in der Aufzählung der vielen Ämtle, die es früher in Winterbach gegeben hat, unter anderen: Fronmeister, Wegknecht, Wasserfurchenaufseher und Brunnenmeister. Diese Ämtle, die von der Gemeinde ausgeschrieben und bezahlt wurden, waren ein Zubrot für die Bauern und haben den allgemeinen Frondienst abgelöst.

Bürgermeister i. R. Erich Hinderer schreibt auch, dass der Fronmeister („Frauwmaischdr“) auch Fronburgermeister genannt wurde. Das Amt des Fronmeisters übte lange Zeit ein Gemeinderat aus. Viele Jahre war es hier Gemeinderat Wölpert. Als Entschädigung wurden 50 Gulden bezahlt. Im Jahre 1866 wurde dem Fronmeister auch die Waldmeisterstelle mit übertragen. Für die Unterhaltung von bestimmten Straßen, wie z. B. der Straße nach Schlichten, wurde ein Wegknecht angestellt, der 1858 sechs Gulden dafür erhielt.

Die Ausstattung des Fronmeisters mit Arbeitsgeräten gibt er wie folgt an: Pickel, Haue, Steinschlegel, Hebeisen, Pflasterstempel, Dunghaken und Krucke (Anm.: Schiebekarren um die gekiesten Straßen und Wege in Ordnung halten).

Irgendwann wurden dann die vorgenannten Ämtle unter der Leitung des Fronmeisters zum Gemeindebauhof zusammengefasst und es entstand ein organisierter Betrieb. Der Leiter des Bauhofes ist aber bei den Winterbachern halt immer noch der Fronmeister.

Die Mitarbeiter des Bauhofes haben im letzten Jahr einen alten Schub-Karren mit einer Hülse zum Anbringen einer Abweisfahne am Eingang zum Bauhof aufgestellt. Diese so genannte Krucke hat sicher dem Winterbacher Weg- oder Straßenwart (früher Wegknecht) gehört. Es dürfte wohl eines der ältesten Geräte im Bauhof sein. Aus der Art und Weise, wie der Karren mit „einzubauendem Belagsmaterial“ in Form einer Bepflanzung präsentiert wird, ist die Funktion sehr anschaulich ersichtlich. Es ist sehr zu begrüßen, dass dieses alte Arbeitsgerät einen solch stimmigen Platz gefunden hat und wir danken den Mitarbeitern des Bauhofes sehr herzlich für ihre Initiative. Jürgen Rieger