Gemeinschaftsarbeit – Samstag, 12.03.2022
Arbeit für die örtliche Gemeinschaft hat in Winterbach eine lange Tradition.
Im Jahr 1817 hat König Wilhelm I. in Württemberg die Leibeigenschaft der Bauern aufgehoben. Damit entfielen insbesondere die (unbezahlten) sogenannten Hand- und Spanndienste sowie die Jagdfron, also die Herrschaftsfron. Die Gemeinfron, also die Arbeiten für die Dorfgemeinschaft, mussten aber trotzdem weiter geleistet werden. Bei der Gemeinfron wurden z. B. Straßen, Wege, Bachläufe, Stege und Brücken unterhalten. Diese Arbeiten, die nun von der Gemeinde ausgeschrieben und bezahlt wurden, waren ein Zubrot für die Bauern und haben den allgemeinen Frondienst abgelöst. Man nannte diese Arbeiten „Ämtle“. Erich Hinderer nennt in einer Aufzählung der vielen Ämtle, die es früher in Winterbach gegeben hat, unter anderen: Fronmeister, Wegknecht, Wasserfurchenaufseher und Brunnenmeister. Irgendwann wurden dann die vorgenannten Ämtle unter der Leitung des Fronmeisters zum Gemeindebauhof zusammengefasst und es entstand ein organisierter Betrieb. Der Frondienst wandelte sich also für die Bürger von einer Fron- zu einer Beitragsleistung.
Trotzdem entstanden für die Gemeinde aber im Laufe der Zeit immer wieder größere Vorhaben, die finanziell nur leistbar waren, wenn die Bürger ihre kostenlose Arbeit einbrachten. Hier sind zu nennen: die Höherlegung des alten Friedhofs im Jahr 1829, der Bau des Freibades im Jahr 1937 oder die Verdolung des Keltergrabens im Jahr 1939.
Nicht vergessen werden dürfen die bedeutenden gemeinschaftlichen Arbeiten auf Vereinsebene. Hier sind beispielsweise der Bau des Turnplatzes und der Turnhalle an der heutigen Ritterstraße, der Bau des Waldsportplatzes und der Bau der Sport- und Vereinsheime zu nennen. Das VfL-Heim bei der Salierhalle ist beispielsweise schon das dritte Sport-Vereinsheim, das nach dem Vereinsheim beim Waldsportplatz und dem beim Sportplatz auf den Mühlwiesen in Eigenarbeit erstellt wurde. Ebenso sind das Homöopathenhäusle, das Musikhäusle oder die CVJM-Häusle zu nennen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Schützenverein, Tennisclub, Kleingärtnervereine und Hundesportverein Vereinsanlagen in eigener Regie gebaut.
Um als Dorfgemeinschaft große gemeindliche Vorhaben auf den Weg zu bringen bzw. zu unterstützen, wurden dann Fördervereine gegründet. Die Fördervereine für den Bau der Salier-Halle, den Umbau der Kelter zum Bürgerhaus oder für den Bau des Pflegeheims stehen hierfür. Sie haben hervorragende Leistungen erbracht.
Bei der ersten Gemeinschaftsarbeit heutiger Art nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1970 wurde der Wanderweg vom Lehenbachtal zum Waldsportplatz, das „Verlobungswegle“, angelegt. Davon zeugt das nachstehende Foto.
Die Gemeinschaftsarbeit hat sich also von der schieren Notwendigkeit zum Zeichen des Handanlegens für die Gemeinschaft gewandelt. Eine Bezahlung gab und gibt es dafür nicht, wohl aber nach getaner, manchmal schwerer Arbeit ein Vesper und etwas zu trinken. Und so ist es nun seit der ersten Gemeinschaftsarbeit nach dem Krieg auch schon über 50 Jahre her, dass diese gute Tradition als Zeichen des Winterbacher Gemeinsinns wieder aufgenommen wurde.
Jürgen Rieger