Der Auswanderungsversuch

Der Auswanderungsversuch des Winterbachers Johannes Schnabel im Jahr 1844 nach Siebenbürgen 

Zu den zeitgeschichtlichen Hintergründen zitieren wir einige Sätze aus dem Bericht von Reinhard Güll im Statistischen Monatsheft Baden-Württemberg 9/2013:

Von jeher haben Wanderungsbewegungen die Geschichte des heutigen Baden-Württembergs geprägt.

Einwanderung setzt immer eine Auswanderung anderenorts voraus. Im Zeitverlauf der letzten zwei Jahrhunderte verliefen die Wanderungsströme lange Zeit umgekehrt, denn im 19. und frühen 20. Jahrhundert sind viel mehr Menschen aus dem heutigen Baden-Württemberg aus- als eingewandert.

Nicht mehr akzeptable Lebens- und Arbeitsverhältnisse sowie mangelhafte Zukunftsperspektiven waren im 19. Jahrhundert der Anlass für viele Menschen, ihre Heimat zu verlassen und anderswo ihr persönliches Lebensglück zu suchen, wenn auch mit recht unterschiedlichem Erfolg.“

Dem Dorf- und Heimatmuseum wurde nun die Kopie eines Passes des Königreiches Württemberg, Jagst-Kreis, Oberamt Schorndorf, vom 23. Mai 1844 für Johannes Schnabel aus Winterbach übergeben. Dieser Pass berechtigt den damals 46-jährigen von Winterbach „durch Bayern und Oestreich nach Siebenbürgen zu fahren, mit der Absicht, sich dort um ein Unterkommen umzusehen. Er verläßt bei Ulm das Königreich und kann frei und ungehindert hin und herpassieren.“ Dieser Pass war für sechs Monate gültig und ist kein Auswanderungspass. Letzterer sah aber ähnlich aus.

Die Personenbeschreibung im Pass und die uns von Kurt Hasert übergebenen Personenstandsdaten lassen deutliche Rückschlüsse auf die persönliche Situation von Johannes Schnabel zu:

Er ist am 29. März 1798 geboren, 1,52 m groß und von starker Statur. Die Gesichtsform ist länglich, die Gesichtsfarbe ist blass. Haare und Augenbrauen sind dünn und braun und die Augen grau. Die Nase ist spitzig und der Mund ist breit, die Wangen sind eingefallen und die Zähne sind mangelhaft. Die Beine sind gerade. Er ist verheiratet. Mehr steht im Pass nicht. Zusätzlich erfahren wir durch Kurt Hasert, dass er am 15. Juni 1830 Catharina Margaretha Felger in Winterbach geheiratet hat und er bei seiner Siebenbürgen-Erkundung bereits zehn Kinder hatte, von denen vier bereits im Kindesalter verstorben sind. Nach seiner Rückkehr wurden weitere zwei Kinder geboren, von denen eines ebenfalls im Kindesalter gestorben ist.

Es ist also auf Grund dieser Personenbeschreibung und der Beschreibung der Familienverhältnisse gut nachzuvollziehen, dass nicht akzeptable Lebens- und Arbeitsverhältnisse sowie mangelhafte Zukunftsperspektiven die Gründe waren, warum sich Johannes Schnabel in Siebenbürgen nach einem „Unterkommen“ umsehen wollte.

Der Pass enthält dann auch noch Sichtvermerke aus Ulm, Linz, Wien, Hermannstadt, Leoben und Salzburg, aus denen sich ersehen lässt, dass die Fahrt nach Siebenbürgen nach der Rückkehr nicht in eine Auswanderung mündete. Wie es dann in Winterbach nach der Geburt der weiteren zwei Kinder weiterging, können wir auch nicht nachvollziehen, nur, dass Johannes Schnabel nach den Feststellungen von Kurt Hasert am 8. April 1864 in Vaihingen verstorben ist. Seine Frau Catharina ist bereits im Jahr 1849 in Winterbach verstorben.

Jürgen Rieger