Fritz Hertwig – ein unbekannter Soldat
In diesem Soldatengrab auf dem „alten“ Winterbacher Friedhof hat Fritz Hertwig, geboren 1911 und gestorben 1945, seine letzte Ruhestätte gefunden.
Im Gräberverzeichnis des Totengräbers ist zu lesen:

„Herdwig, Stabsgefreiter, Geburtsort unbekannt (war bei Wehrmacht im Feld), Alter: kein Eintrag, später nachgetragen Jahrgang 1911, Todestag 19.4.1945 (Donnerstag), Begräbnistag 23.4.1945 (Montag), Bemerkung: „auf der Landstraße tödlich verunglückt.“ Anmerkung: Ein Vorname ist also nicht genannt und der Geburtsjahrgang wohl nachgetragen.
Es ist davon auszugehen, dass bei der Auffindung von Fritz Hertwig an der Landstraße nach Hebsack dieser eine Uniform und einen Helm getragen hat und jemand dessen Erkennungsmarke gelesen und den Inhalt weitergegeben hat, denn sonst wäre nicht der ganze Name, das Geburtsjahr und der Dienstgrad bekannt. Es gibt aber nur die Eintragung im Gräberverzeichnis des Totengräbers, ein Eintrag im standesamtlichen Sterberegister der Gemeinde Winterbach erfolgte nicht.
Interessant ist, dass mir ein Bekannter aus Hebsack erzählt hat, dass er an seinem siebenten Geburtstag am 18.04.1945 seinen ersten Toten gesehen hat. Dieser lag in der Hebsacker Kelter an der Winterbacher Straße und war ein Soldat. Nachdem im Hebsacker Sterberegister in diesen Tagen kein Toter eingetragen ist, liegt die Vermutung nahe, dass dies der in Winterbach begrabene Fritz Hertwig war, der möglicherweise am 19.04.1945 (Todestag laut Eintragung im Gräberverzeichnis) nach Winterbach gebracht wurde.
Ebenfalls am 19.04.1945 wurden bei Allmersbach im Tal zwei Soldaten einer Abwehrstellung bei einem Feuergefecht von Soldaten der anrückenden amerikanischen 100. US-Division erschossen. Auch wird in einem Zeitungsartikel von den beiden 17-jährigen Soldaten Walter Hauser aus Auendorf und Martin Schnorr Gruibingen berichtet, die beim Rückzug bei Hößlinswart am 20.04.1945 (Freitag) von amerikanischen Tieffliegern tödlich getroffen wurden und denen an der Straße nach Rohrbronn ein Gedenkstein gesetzt wurde. Gehörte Fritz Hertwig auch zu diesen Soldaten und konnte er sich, evtl. in Allmersbach schwer verletzt, bis Winterbach durchschlagen oder was soll der Vermerk „tödlich verunglückt“ bedeuten? Wir wissen es nicht.
Am 21.04.1945, also zwei Tage nach dem Tod von Fritz Hertwig, ist die amerikanische Armee von Hößlinswart herkommend in Winterbach einmarschiert. Fritz Hertwig war also noch nicht beerdigt.
Noch am 16. April 1945 wurde in Winterbach eine Bekanntmachung des Reichsverteidigungskommissars veröffentlicht, wonach es unter Todesstrafe verboten wurde, Panzersperren zu öffnen oder eine weiße Fahne zu zeigen. Außerdem wurden auch den Familien der „Schuldigen“ drakonische Strafen angedroht. Männer, Frauen und Jugendliche sollten erbitterten Widerstand leisten und den feindlichen Weitermarsch verhindern.
Die geschilderten Ereignisse vom 16. – 23. April 1945 erklären die chaotischen Zustände der letzten Kriegstage. Am 8. Mai 1945, also knapp drei Wochen nach Fritz Hertwigs Tod war der zweite Weltkrieg dann endgültig zu Ende. Das geschützte Soldatengrab von Fritz Hertwig blieb erhalten und wurde viele Jahre durch Frau Walter und dann durch ihre Tochter, Frau Hoffmann, gepflegt. Später übernahm die Gemeinde die Grabpflege.
Wir können aus all dem nur ersehen, dass Fritz Hertwig in den letzten Kriegstagen – wie auch immer – umgekommen ist. Aber mehr wissen wir von dem Mensch Fritz Hertwig nicht. Auch die eingeschalteten DRK-Suchdienste in Stuttgart und München, das Bundesarchiv in Berlin, das umfangreiche Recherchen durchgeführt hat und der VdK konnten uns nicht weiterhelfen. Es wurde nach Fritz HERTWIG und nach Fritz HERDWIG (wie im Gräberverzeichnis steht) gesucht. Nachdem wir festgestellt haben, dass Hert(d)wig auch ein Vorname sein könnte, wurde auch nach Hert(d)wig FRITZ gesucht. Überall „Fehlanzeige“. Das Bundesarchiv gab noch den Hinweis, dass nach dem Graböffnungsprotokoll von 08.04.1968 keine Erkennungsmarke gefunden wurde.
Das alles führt uns also nicht weiter und so bleibt die Frage: Hatte Fritz Hertwig 1945 noch lebende Eltern, Geschwister, eine Familie und woher stammte er? Offenbar hat von den Angehörigen niemand erfahren, wo dieser, damals noch junge, 34 Jahre alte Mensch geblieben ist. Auch uns bleibt er ein unbekannter Soldat und sein Grabstein auf dem Winterbacher Friedhof ein bleibendes Mahnmal gegen Krieg.
Jürgen Rieger


