Ausstellung: Alte Spazier- und Wanderstöcke
„Hänschen klein – ging allein – in die weite Welt hinein.
– Stock und Hut
– steh‘n ihm gut,
– ist gar wohlgemut.“
Zunächst war der Spaziergang ein adeliges Privileg. Dann wurde der Gang durch die Natur um 1800 zur „stadtbürgerlichen“, später auch zur „dorfbürgerlichen“ Sonntags-beschäftigung. Geschätzt wurde die ästhetische Naturerfahrung ebenso wie das ge-sellige Vergnügen im Freien, zu dem auch das Sehen und Gesehen werden dazuge-hörten. Der elegant gestaltete Spazierstock war modisches Accessoir für jeden Spa-ziergänger. Oft handelte es sich um Einzelanfertigungen, die nach den Wünschen der Käufer gefertigt wurden. Die Stockgriffe bieten eine Vielfalt von Motiven und Material-ien. Während der Spazierstock eher ein Accessoir war – eine besondere Kunst war es, beim Spazierengehen mit dem Stock den Boden nicht zu berühren – war der Wander-stock schon eher eine Gehhilfe. Dessen Verzierung mit sogenannten Stocknägeln kam dem einfachen Arbeiter oder Angestellten manchmal einer Trophäensammlung von erwanderten Orten gleich.
„Fahren zeigt Ohnmacht, Gehen Kraft“ sagt der „erste Wanderer“ und Reisejournalist Johann Gottfried Seume in seinem Buch „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1902“. Theodor Heuss sagt: „Der Sinn des Reisens ist, an ein Ziel zu kommen, der Sinn des Wanderns ist, unterwegs zu sein.“
Im nicht allzu weit entfernten Lorch gab es bis 1928 die Stockfabrik Dieterle & Mar-quardt mit 160 Mitarbeitern. Im thüringischen Lindewerra gibt es ein Stockmuseum, dort arbeitet auch noch ein Stockmacher. Die einzige Stockfabrik in Deutschland ist wohl noch die Firma Gastrock in Bad Sooden-Allendorf (Oberrieden). Und heute kann man – natürlich über das Internet – im Stockshop einen Stock seiner Wahl kaufen. In Nienburg in Niedersachsen züchtete ein Mann besonders geformte Wanderstöcke. In Frankreich gibt es gar eine Spazierstockpflanzung mit ungefähr 200 ha Fläche.
Die Vitrinenausstellung „Alte Spazier- und Wanderstöcke“ ist aus den Beständen des Museums und einer Winterbacher Privatsammlung zusammengestellt. Jürgen Rieger