Fundstücke aus der Winterbacher Geschichte (4) Das Polyphon

Eine der meistbestaunten Attraktionen in unserem Museum ist das Polyphon im oberen Flur vor dem Handwerkerraum. Der Begriff Polyphon kommt vom altgriechischen poly = viel und phone = Stimme, bedeutet also „vielstimmig“.

Der Adlerwirt Hermann Wagner (1905-1985) hat es seinerzeit Helmut Nachtrieb sen. für das Museum überlassen. Früher stand es im Gasthaus „Adler“ und hat dort die Gäste unterhalten. Rolf Zieker, der im Adler, dem auch eine Metzgerei angegliedert war, das Metzgerhandwerk erlernt hat, erzählte, dass es bei Hochzeiten seine Aufgabe als Lehrbub war, die Lochplatten einzulegen, das Federwerk aufzuziehen und das „selbstspielende mechanische Musikinstrument“, wie es fachtechnisch hieß, in Gang zu setzen. Und noch heute stehen Kinder und Erwachsene still und mit leuchtenden Augen vor diesem kleinen Wunderwerk der Technik vergangener Tage.

Hergestellt wurde der Musikautomat von der Firma Polyphon-Musikwerke AG in Wahren bei Leipzig um die Jahrhundertwende 1900. Eine „auserlesene Collektion ihrer Fabrikate“, dazu gehörten viele Typen von Tischgeräten, wurde im Jahr 1900 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt. Es gab eine Goldmedaille für die gesamte Kollektion – von der Spieldose bis zum Wandautomaten Nr. 1 mit selbsttätigem Scheibenwechsel. In dieser Zeit beschäftigte man etwa 800 Mitarbeiter und erreichte eine Jahresproduktion von 40.000 Instrumenten. Das Warenzeichen zeigt eine Frau mit Lyra und Lorbeerkranz unter einem Kometen. Anzumerken ist hier noch, dass es in dieser Zeit in Leipzig mehr als 100 Fabriken und Werkstätten für den Bau selbstspielender Musikinstrumente gab.

1904 stellten die Polyphon-Musikwerke übrigens neben anderen Musikprodukten die erste unzerbrechliche Schallplatte aus Metallblech mit Zelluloidüberzug vor. 1914 brachte man unter dem Namen Polydor Schellackplatten heraus. Später gingen die Polyphonwerke in der Deutschen Grammophon Gesellschaft auf.

Das Funktionsprinzip der Polyphon-Lochplatten kann man so beschreiben, dass in einer Metallplatte längliche Löcher eingestanzt sind, die auf der Unterseite kleine Haken bilden. Diese Haken reißen beim Drehen der Schreibe Metalllamellen am sogenannten Stimmkamm an und erzeugen so einen Ton. Das Polyphon ist mit einem Federwerk versehen, das mit einer Kurbel aufgezogen wird. Jürgen Rieger

Es gab, wie oben schon erläutert, Polyphone in verschiedenen Größen. Die größten Instrumente waren als Münzautomaten (5 Pfennig) für die Aufstellung in Gaststätten ausgeführt. Sie boten den Gästen die Auswahl zwischen bis zu zwölf verschiedenen Melodien. Wir haben im Museum ein Gerät mit zehn Scheiben/Melodien. Gekauft wurde dieses Polyphon im Museum seinerzeit bei der Firma „Emil Käser – Piano & Harmoniummagazin, Stuttgart.“ Jürgen Rieger