Matinee im Garten des Dorf- und Heimatmuseums – Gedenktafel zu Ehren Helmut Nachtrieb senior angebracht

Am Sonntag, den 20.09.2020 lud die Gemeinde Winterbach einen kleinen Kreis von Wegbegleitern und Wegbegleiterinnen von Helmut Nachtrieb senior in den Garten des Dorf- und Heimatmuseums Winterbach ein. Bürgermeister Müller begrüßte die kleine Schar, die sich nach den Coronavorgaben im geforderten Abstand im Garten verteilten.

Er erinnerte an Helmut Nachtrieb senior und dessen herausragende Leistung der Gestaltung des Dorf- und Heimatmuseums. Auf Wunsch von Winterbacher Persönlichkeiten hatte die Gemeinde eine Gedenktafel gestalten und mit diesem kleinen Festakt im Dorf- und Heimatmuseum anbringen lassen.

Gunter Kreb (der Neffe des Geehrten) spielte auf seiner Trompete das Volkslied „Im schönsten Wiesengrunde“, eines der Lieblingslieder von Helmut Nachtrieb senior, danach sprach Barbara Dittrich (2. Vorsitzende des Heimatvereins) die Laudatio. Sie stellte deutlich heraus, dass Altbürgermeister Erich Hinderer die treibende Kraft für diese Gedenktafel für Helmut Nachtrieb senior gewesen war. Deshalb schlüpfte die Rednerin in seine Rolle. Viele Aktivitäten des Visionärs und Schaffers Helmut Nachtrieb senior wurden benannt.

Nach der Enthüllung las Inge Hager noch zwei Gedichte von Hermann Hesse, die dem Geehrten sehr wichtig waren. Mit den Versen aus „Stufen“, das mit den Worten endet „Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden, wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde“, konnten alle nochmals ihren eigenen Erinnerungen an Helmut Nachtrieb senior nachhängen.
Bei einem Umtrunk ließ die kleine Festgesellschaft die Matinee ausklingen.

Laudatio anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel für Helmut Nachtrieb senior im Dorf- und Heimatmuseum in Winterbach

Liebe Festgäste,
an dieser Stelle würde heute unser Altbürgermeister Erich Hinderer stehen, dessen großer Wunsch es war – mit initiiert von Winterbacher Persönlichkeiten wie Gerhard Raach, Richard Schrade, Jürgen Ellwanger, Ernst Schulz und weiteren – für Helmut Nachtrieb senior eine Gedenktafel hier im Museum anzubringen. Nun kann er nicht mehr hier stehen und uns an seinen Gedanken teilhaben lassen. Erich Hinderer ist vor wenigen Wochen verstorben. Es war Helmut Nachtrieb juniors Wunsch, dass ich ein paar Worte sage. Gestatten Sie mir, dass ich versuche hier und jetzt, die Feierstunde in Worten wiederzugeben wie sie vielleicht Erich Hinderer gesagt hätte.

Sehr geehrte Familie Helmut Nachtrieb junior, sehr geehrter Herr Bürgermeister Müller, liebe Festgäste,

Seit einigen Jahren ist es mein Wunsch, mit einer Gedenktafel hier im Dorf- und Heimatmuseum Helmut Nachtrieb seniors Lebenswerk zu würdigen.

Warum gerade heute im Jahr 2020, mögen Sie sich fragen.
In diesem Jahr wäre Helmut Nachtrieb senior 88 Jahre geworden – kein runder Geburtstag.
In diesem Jahre läge die Gründung des Dorf- und Heimatmuseums 52 Jahre zurück – kein Jubiläumsjahr.
Vor 45 Jahren und einer Woche wurde das Haus hier als Museum mit einer kleinen Sammlung eröffnet – auch keine runde Zahl.
Auch die Verlegung des Marktbrunnens von der unteren Brunnengasse auf den Marktplatz liegt ebenfalls 45 Jahre zurück und wurde von Helmut Nachtrieb senior angeregt.

Zahlenspiele, die keinen Grund für den heutigen Festakt geben oder diesen gerade heute rechtfertigen.

Das ist typisch für den Bürger Helmut Nachtrieb senior. Er brauchte keine Jubiläen, er war ein Visionär, ein Heimatforscher, ein Heimatgeschichtsschreiber, ein Brauchtumspfleger und vor allem ein Schaffer.

Er war in beispielhafter Weise Vorbild für das Modell, Heimatgeschichte erlebbar zu machen.

Ein Dorf- und Heimatmuseum zu entwickeln benötigt Mitstreiter. Dazu muss man Menschen begeistern können für die eigenen Ideen. In einem Nachruf wurde Helmut Nachtrieb senior als „Menschenfänger“ bezeichnet.

Das war er, aber im positiven Sinn. Längst vor den heute wissenschaftlich fundierten Studien zum Rentner- bzw. Pensionärsdasein hatte er erkannt, dass man sich mit Menschen umgeben muss, die Erfahrung in Handwerk, Tradition und Brauchtum haben. Er als Handwerker war dabei authentisch, packte er doch stets selbst mit an. Alleine geht es nicht so schnell, also warum nicht eine sogenannte „Rentnertruppe“ gründen mit Handwerkern und interessierten Schaffern. Viele Namen könnte man hier nennen. Alle die dabei sind wissen Bescheid.

Zeit haben, bzw. sich Zeit nehmen, um Geschichten aus dem Flecka zu hören, wieder zu erzählen, alte Volkslieder singen, gerne auch in Gemütlichkeit mit einem Viertele aus dem Weingläsle mit Henkel.

Helmut Nachtrieb senior wusste um den hohen Heimatgeschichtlichen Wert dieser Erzählungen. Deshalb schriftlich festhalten – wer ihn kannte mit einer gestochen sauberen Handschrift – in Zeiten ohne Computer. Bewahren für die späteren Zeiten, um Erinnerungen zu wecken an die Altvorderen, an die Urgroßeltern usw. Einen individuellen Heimatbezug für möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.

Dieses Haus hat er mit all seiner Begeisterung und Kraft, mit Hilfe seiner Frau Ruth zu einem einzigartigen Dorf- und Heimatmuseum gestaltet.

Helmut Nachtrieb war ein bescheidener Mensch mit einem knitzen Lächeln, das vermuten ließ, dass er schon wieder einige neue Ideen in seinem Kopf hatte. „Mr sott“ kannte er nicht „Mir sottet“ war sein Motto. Er war stets dabei.

Sein Credo war es, Tradition und Brauchtum ohne ideologischen Hintergrund zu pflegen und möglichst viele mit rein zu nehmen in seine Begeisterung.

Beispiele sind u.a.:
das Heimatspiel in Zusammenarbeit mit der Waldorfschule, das Aufstellen des Maibaums gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr und weiteren Ortsvereinen,

das Schlachtfest, um zu zeigen, wie man das kostbare Gute konservierte und lagerte in Zeiten der Selbstversorgung (Nachhaltiges Handeln durch Vorratshaltung; heute in aller Munde…)

der Ausbau einer Hafnerbrennhütte mit geborgenen Funden bestückt für die archäologisch interessierten Bürgerinnen und Bürger.

Auch das Schmücken einer Osterlärche… Wenn man den Begriff „Osterlärche“ googelt, kommt man ausschließlich nach Winterbach, d.h. dass es das sonst nirgends gibt. Wohl schon den Ostereierbaum aber nicht den Begriff der „Osterlärche“, die uns den nahenden Frühling und das bevorstehende Osterfest verkünden. Welch kluger Schachzug von ihm, dabei die Kindergartenkinder tätig werden zu lassen, die dann mit ihren Eltern zum Marktplatz kommen.

Ganz besonders brachte er sich bei Kinderführungen im Museum ein. Geschichte – Heimatgeschichte zum Anfassen. Man denke nur an die Metallschürze des Metzgers. Wie schwer die ist, durften die Kinder erleben, indem er ihnen erlaubte, diese anzuziehen. Kein Vitrinen – Museum. Anfassen. Begreifen und mit alles Sinnen bewahren.

Dass er mit dieser Einstellung und speziell mit der Idee des Sommerfests im Museumsgarten eines der Jahreshighlights von Winterbach kreierte, hat er vermutlich beim ersten Mal nicht gedacht. Ein Paar Schrannen aufgestellt, Schmalzbrot und Käsbrot anbieten, damit der Birnenmost net so allein im Magen ist… das war der Anfang. Der Musikverein Trachtenkapelle ist bis heute traditionell mit den wunderschönen Weisen ein treuer Begleiter dieses Abends. Dieses „Sommerfest im Museumsgarten“, das oft mit einem Sonnwendfeuer im Garten und Volksliedgut zur Nacht endete, ist bis heute eines der Edelsteinchen des Brunnenfests schlechthin. Dass dies mit einer fast nicht mehr zu bewältigenden Besucherzahl, und besonders von jüngeren Besucherinnen und Besuchern sehr gut angenommen wird, ist sehr erfreulich.

Mit vielen verschiedenst artigen Impulsen unterschiedlichste Interessen wecken war seine ganz besondere Fähigkeit. Möglichst viele mit hineinnehmen in diese Begeisterung.

Auch denke ich noch mit großer Bewunderung daran, wie er in einem Nacht- und Nebelgespräch mit Winterbacher Persönlichkeiten ein Treffen abhielt, um den Abriss der Fachwerkhäuser in der Ortsmitte auszuhebeln. Denkmalschutz, Bewahren der Heimatgeschichte. Nicht nur in Worten, Schriften und in diesem Dorf- und Heimatmuseum sondern auch über das Herdfeld hinaus.

Helmut Nachtrieb senior hat dafür viele Auszeichnungen, Medaillen und Orden bekommen, die er alle mit größter Bescheidenheit und stets stellvertretend für alle Beteiligten angenommen hat.

Sein Name darf nicht in Vergessenheit geraten, deshalb werden wir heute diese Gedenktafel mit seinem Konterfei und seinem Motto „Es ist wichtig, dass man Freude hat, an dem was man macht.“ enthüllen und im Museum anbringen.

Ganz besonders würde er sich freuen, dass gerade die Familie um seinen Sohn Helmut Nachtrieb junior mit Gaby, Matthias und Familie sowie Andreas dieses Erbe angetreten sind. Es war bestimmt nicht immer einfach einen solch umtriebigen Vater und Großvater zu haben, dessen Engagement viele zeitliche Entbehrungen mit sich brachte (das wusste Erich Hinderer auch von seiner Familie), aber heute versteht man das besser. Mittendrin mit Bewirten, Beliefern, Renovieren, Fotografieren, das Ferienprogramm mitgestalten…Man machts halt, weil‘s nötig ist. Der Kreis schließt sich.

Helmut Nachtrieb senior, wir verneigen uns vor ihrem und deinem Lebenswerk!

Barbara Dittrich

Schorndorfer Nachrichten – Thomas Milz