Ostdeutsche Heimatstube – Wiedereröffnung mit neuer Konzeption
Bereits 1972, als die Gemeinde das Haus Dobelmann für die Einrichtung eines Dorf- und Heimatmuseums erwarb, war es die erklärte Absicht, darin eine Ostdeutsche Heimatstube einzurichten.
Die Ostdeutsche Heimatstube im Dorf- und Heimatmuseum wurde dann in den 80-er Jahren hauptsächlich durch den Bund der Vertriebenen, die Sudetendeutsche Landsmannschaft und Rektor Klar eingerichtet und bis Mitte der 1990er Jahre betreut. Insbesondere die Namen Walter Phillipek, Joachim Klar, Josef Urban und Walter Wolf sind zu nennen.
Der Schwerpunkt der Ausstellung lag auf der Darstellung der reichen Kultur in den Ostgebieten. Es wurde daran erinnert, dass man eine schöne und geliebte Heimat zurücklassen musste. Dies erfolgte durch die Ausstellung von aufgeklebten Zeitungsausschnitten, Landkarten, Zeichnungen von Trachten usw. Auch Bilder des sudetendeutschen Kunstmalers Josef Janko, aber schon mit Winterbacher Motiven, wurden gezeigt. Man hat wegen einschlägigen Ausstellungsobjekten bei verschiedenen Institutionen angefragt und auch Aufrufe gestartet, um eine Ausstellung gestalten zu können. Tatsächlich bekam man eigentlich fast nichts, was nicht verwunderte, denn die allermeisten kamen ja mit – fast nichts.
Das Innenministerium Baden-Württemberg überließ ca. 200 Bücher aus den verschiedenen „ostdeutschen“ Gebieten, die zum Grundbestand der heutigen Bibliothek wurden. Außerdem steuerte Herr Klar Architekturmodelle aus Papier von besonderen Gebäuden aus Schlesien bei und von den Sudetendeutschen aus Neu-Gablonz (Stadtteil von Kaufbeuren) bekam man eine ganze Vitrine mit Modeschmuck, aber eben auch aus der Nachkriegszeit. Im Lauf der Zeit kamen dann noch einige Trachtenpuppen und wenige Kleidungsstücke dazu.
Bei den Führungen durch unser Winterbacher Museum wurde mehr und mehr deutlich, dass die Ostdeutsche Heimatstube nur noch vereinzelt Besucher interessierte. Auch die Museumsöffnungen für die Allgemeinheit zeigten, dass selbst die Kinder- und Enkelgenerationen der Vertriebenen und Flüchtlinge kein besonderes Interesse mehr an der Ostdeutschen Heimatstube hatte. In Beutelsbach wurde die „Ostdeutsche Stube“ deshalb ins Archiv überführt.
Diesen Weg wollten wir in Winterbach nicht gehen, denn die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge waren und sind ein ganz wesentlicher Teil unserer Ortsbevölkerung und deren Geschichte muss im Heimatmuseum sichtbar bleiben. Aus dem Kreis der durch das Museum führenden Personen wurde deshalb mehrfach angeregt, die Ostdeutsche Heimatstube neu zu konzipieren.
Im Jahr 2014 fand ein Gespräch mit Hermann Pikal, Wernhard Lassner und Herbert Liebsch statt, bei dem der Entwurf der Neukonzeption besprochen wurde. Wernhard Lassner und Herbert Liebsch sind zwischenzeitlich verstorben. Hermann Pikal hat Anfang des Jahres 2017 eine Dokumentation über Flucht und Vertreibung zusammengestellt und sie dem Museum übergeben. Außerdem hat er, auch mit Blick auf die Neugestaltung der Ostdeutschen Heimatstube den Bücherbestand neu aufgenommen und die Schrift Nr. 4 der Reihe Winterbacher Heimat „Die Baracken in Winterbach – 1942 bis 1958“ zusammengestellt.
Die Neukonzeption für die Ostdeutsche Heimatstube wurde im Dezember 2017 überarbeitet und durch den Vorstand des Heimatvereins beschlossen. Sie wurde dann in Abstimmung mit Hermann Pikal als dem Vertreter des Vertriebenenverbandes bzw. der Sudetendeutschen Landsmannschaft, umgesetzt.
Es wurde wie folgt vorgegangen:
Eine große Karte mit Einzeichnung der heutigen Landesgrenzen und Darstellung der Flucht- und Vertreibungsgebiete als eine wesentliche Informationsquelle.
Korrespondierend: Eine Auflistung der Flucht- und Vertreibungsgebiete. Eine Karte vom Sudetenland (Sudetendeutsche sind die größte Gruppe der Winterbacher Vertriebenen und Hauptinitiatoren der Winterbacher Heimatstube) mit Erläuterung.
Darstellung der Personenzahlen der Winterbacher Vertriebenen und Flüchtlinge.
Liste der Familiennamen der Winterbacher Vertriebenen und Flüchtlinge, die in den Jahren nach dem Krieg nach Winterbach gekommen waren.
Abdruck eines Berichtes aus der Stuttgarter Zeitung über wesentliche Aussagen zu Flucht und Vertreibung und über „Flüchtlinge“, die heutzutage jeder kennt.
Aufzählung von Begriffen unter der Überschrift „Migration – Wanderung“, um auf die Aktualität des Themas über den Tag hinaus hinzuweisen: Auswanderung, Flucht, Vertreibung, Asyl, Gastarbeiter usw.
Auslegung der „Dokumentation über Flucht und Vertreibung“ sowie des Heftes „Baracken“.
Präsentation der Bibliothek in neuer, komprimierter Form.
Einrichtung eines Leseplatzes.
Einzelpräsentationen von Besonderheiten: Neugablonzer Schmuck / Böhmisches Glas / Bunzlauer Geschirr / Aussägearbeiten / Trachten (nur Miniaturen) / Heiliger Nagel / Persönliche Fluchtkisten usw.
Anlegung einer Auswandererecke mit der Palmer`schen Auswandererkiste.
Corona bedingt fand eine geplante Wiedereröffnung der Ostdeutschen Heimatstube im Jahr 2020 nicht statt. Die offizielle Eröffnung erfolgt, sobald die Verhältnisse dies zulassen.
Jürgen Rieger