Von der Sommerfrische zum Wochenendhaus

Insbesondere oberhalb des „Hungerbergs“, aber auch im oberen Teil des „Sterrenbergs“ gibt es, manchmal in schöner Aussichtslage, so genannte Wochenendhäuser. Auch in anderen Gemeinden des Remstals kann man diese sehen. Wir können uns heutzutage nicht mehr vorstellen, dass solche Gebäude durch die Behörden genehmigt werden würden.

Seit der Einführung des Bundesbaugesezes im Jahr 1960 sind im Außenbereich nur noch so genannte privilegierte Bauten, hauptsächlich der Landwirtschaft, zulässig.

Vorher galt die Württembergische Bauordnung und diese ließ „Gebäude, wenn sie nicht dem dauernden Wohnen dienten“, außerhalb des Gebietes eines Ortsbauplanes zu, wenn weder polizeiliche Bedenken irgendwelcher Art noch Rücksichten auf ein Orts- oder Landschaftsbild entgegenstanden. Und da waren die Beurteilungskriterien für die Zulässigkeit von solchen Wochenendhäusern offenbar gravierend anders als heute. Das Bundesnaturschutzgesetz etwa gibt es erst seit 1976.

Den speziellen Begriff Wochenendhaus kannte also die Württembergische Bauordnung nicht. Es gab aber den Begriff der „Sommerfrische“ als eine Form des Tourismus neben beispielsweise dem Bädertourismus. Der Begriff Sommerfrische bezeichnete dabei sowohl die jahreszeitliche Übersiedlung aus der Stadt auf das Land als auch das Gebäude und den Zielort. Nach dem Wörterbuch der Brüder Grimm ist die Sommerfrische ein „Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerzeit“.

Beim Adel oder beim Großbürgertum gab es Sommerschlösser und Sommervillen schon viel länger. Der renommierte Historiker Rüdiger Hachtmann schreibt dann: „Ab Ende des 19. Jahrhunderts war die Sommerfrische auch ein kleinbürgerliches Phänomen. Begünstigt durch eine privilegierte Urlaubsgesetzgebung für Beamte, später auch für Angestellte, blieb die Sommerfrische bis Mitte des 20. Jahrhunderts populär. Sie war eine ausgeprägt familiäre Form des Urlaubs in einem ländlichen Umfeld. Die Unterbringung der Sommerfrischler – Mutter und Kinder, oft ohne den berufstätigen Vater – war meist einfach und nicht allzu weit vom Heimatort entfernt.“

Um solche einfachen Sommerfrischen, die die Eigentümer (meistens aus Stuttgart) wohl eher als Gartenhaus oder Wochenendhaus, im Schwäbischen auch manchmal als „Gütle“ bezeichnet haben dürften, handelt es sich also bei den Wochenendhäusern in Winterbach. Jürgen Ellwanger weiß noch, dass die Wochenendhäuser oberhalb des „Hungerbergs“ von Familien von leitenden Angestellten der Firma Daimler-Benz und die im „Sterrenberg“ von ebensolchen der Firma Mahle genutzt wurden.

Es ist davon auszugehen, dass die Winterbacher Wochenendhäuser insbesondere in den 1930er Jahren gebaut wurden. Manche Wochenendhäuser im Remstal wurden während und nach dem Krieg auch als Notwohnungen von Familien genutzt, deren Wohnungen in Stuttgart „ausgebombt“ waren.

Jürgen Rieger