Aus Draht gefertigt
Wir haben im Museum verschiedene Gegenstände, die aus Draht hergestellt sind. Diese können, vom Verwendungszweck her, dem Haushalt im weiteren Sinn und der Landwirtschaft zugerechnet werden. Wir wollen diese Gegenstände nun den Besuchern des Museums in der nächsten Vitrinenausstellung zeigen.
Wenn man der Frage nachgeht, wer diese Gegenstände ursprünglich gefertigt hat, dann kommt man auf recht unterschiedliche Berufe bzw. Manufakturen und Industriebetriebe, aber auch auf Nebentätigkeiten in der Landwirtschaft und im Wanderhandel.
Zunächst wird der Draht durch den Drahtzieher mittels einer speziellen Fertigungstechnik, gezogen. Schon im 15. Jahrhundert wurden in Nürnberg vollmechanische Drahtziehmaschinen, die mit Wasserkraft betrieben wurden, entwickelt. Für einige Generationen hatte Nürnberg fast ein europäisches Monopol für die Herstellung und den Vertrieb von Draht und aus Draht gefertigten Endprodukten wie Nadeln, Kettchen, Nägel, Angelhaken, Mausefallen, Vogelkäfige, Fischreusen, Drahtzäune, Drahtnetze und Drahtsiebe verschiedenen Kalibers, auch für Erz-, Pulver- und Papiermühlen. Aber auch im Sauerland mit Schwerpunkt in Altena sowie in Hamm in Westfalen gab und gibt es eine solche Industrie. Die groberen Endprodukte aus maschineller Produktion dürften dem Beruf des Drahtschlossers zuzurechnen sein.
Der Beruf des Drahtbinders (man liest auch den Namen Drahtflechter) soll bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Gebiet der heutigen Westslowakei entstanden sein, wo er heute als Kunsthandwerk wieder auflebt. Vor 500 Jahren war fast alles Gerät und Geschirr armer Leute aus Holz. Gegenstände aus Steingut oder Keramik waren wertvoll und wurden wie ein Schatz gehütet. Wenn doch einmal ein Gefäß zerbrach, konnte es ein Drahtbinder reparieren. Mit Draht umspann er aber auch das ganze Gefäß, um ihm mehr Stabilität zu geben und es vor neuen Schlägen zu schützen.
Doch der Drahtbinder konnte noch mehr: Nur aus Draht fertigte er Küchengeräte wie Topfuntersetzer, Kuchengitter, Schneebesen, Körbe und vieles mehr, wie z. B. Vogelkäfige und Schmuckkästchen. Sein größtes Geschäft jedoch machte er mit Mausefallen. Je nach Kundenwunsch schuf er die klassischen Schnappfallen, aber auch Lebendfallen in vielen verschiedenen und raffinierten Ausführungen. Manche Drahtbinder gründeten kleine Werkstätten oder Manufakturen und ließen ihre Produkte von Wanderhändlern vertreiben. Wanderhändler in Baden-Württemberg kamen aus dem Killertal, aus Matzenbach, Unterdeufstetten, Wildenstein oder Lautenbach usw. Oft waren es Jenische, z. B. aus Fichtenau.
Mausefallen wurden aber auch von Mausefallenhändlern gefertigt und vertrieben. Dies waren in der Regel Bauern, die dieser Arbeit im Winter nachgingen. Für ganze Ortschaften, wie beispielsweise Meßstetten-Hartheim war dies ein bitter notwendiger Nebenerwerb zur Landwirtschaft. Es ist aber auch von Mausefallenhändlern aus Ungarn und Kroatien zu lesen.
Heutzutage werden Drahtwaren im Haushalt, vielleicht mit Ausnahme des Kuchengitters und in der Landwirtschaft bei Weidezäunen kaum mehr benötigt. Wohl aber wird Draht in vielen anderen industriellen Produktionen verwendet. „Vom Kettenhemd zum Supraleiter“ so lautet das Thema der Dauerausstellung im Deutschen Drahtmuseum in Altena. Damit ist die enorm vielfältige Verwendung von Draht in heutiger Zeit gut umschrieben.
Aber auch im künstlerischen Bereich wird mit Draht gearbeitet. So sind auch einige Arbeiten von Elke Bärlin zu sehen.
Andrea Pfarr und Jürgen Rieger