Die Hausnummern und die Straßennamen in Winterbach

Fundstücke aus der Winterbacher Geschichte (13)

Bevor es Häuser mit Hausnummern gab, gab es zur Unterscheidung individuelle Hauszeichen (z. B. Wirtschaftsschilder oder Zunftzeichen) oder die Häuser wurden mit dem Namen der Besitzer bezeichnet.

Ab Ende des 18. Jahrhunderts kamen dann Hausnummern aus militärischen und steuerlichen Gründen, aber auch für Postadressen in Gebrauch. Die älteste Methode der flächendeckenden Hausnummern war das System der Konskriptionsnummern – der laufenden Nummern. Dabei wurden die Häuser einer Ortschaft von den Schätzern der Gebäudebrandversicherung komplett durchnummeriert. Es erhielten dann alle neuen Gebäude in der Reihenfolge ihrer Errichtung eine fortlaufende Nummer. Diese Nummern wurden vom Vermessungsamt ins Kataster übernommen.

In Winterbach war die Adresse z. B.: Winterbach i. R., Haus Nr. 167 oder Winterbach i. R., Westergasse, Haus Nr. 167. Der Name der Straße oder Gasse, der umgangssprachlich ja schon bestand, wurde also, so vorhanden, zur näheren Orientierung eingefügt, die fortlaufende Nummer aber beibehalten.

Das System der fortlaufenden Nummern wurde mit dem Wachstum der Städte und Gemeinden unübersichtlich. Und so stellte der Gemeinderat 1941 auch in Winterbach auf die straßenweise Nummerierung um. Der Gemeinderat bestand damals aus dem ersten Beigeordneten Karl Nachtrieb als Vertreter des zur Wehrmacht einberufenen Bürgermeisters Scheiger und sechs Gemeinderäten.

Wir lesen im Gemeinderatsprotokoll vom 13. März 1941:

Es geht auf die Dauer nicht mehr an, dass z. B. das Haus Nr. 465 auf dem Kies ist, 466 in der Schorndorfer Straße, während sich 467 in den Westerwiesen befindet. Ortskundige wissen ja Bescheid, ein Fremder kann sich aber unmöglich zurechtfinden. Die Neueinteilung der Nummern erfolgte so, dass die rechte Straßenseite die geraden Zahlen hat, die linke Seite die ungeraden. Die Straßen sind rechts und links eingeteilt in der Folge, als würde man immer vom Rathaus aus kommen.

Der Gemeinderat hat sich bemüht, altvertretene Namen oder Erinnerungen bei der neuen Namensgebung zu Grunde zu legen. Zunächst gibt es jetzt den Marktplatz. Die Häuser, die am Marktplatz stehen, sind hier zusammengefasst. Die kleine Gasse gegen das Haus Fritz Müller wurde zum Markthof. Die Finkengasse blieb in ihrer gleichen Form und Namen. Das so genannte Unterdorf wurde zur Bachstraße, diese Benennung wird wohl die einzig richtige sein. Der Weg parallel zur Rems bis zum Haus Kirchner wurde zur Remsstraße. Der Verbindungsweg von der Remsstraße zur Westergasse heißt jetzt Bei der Zehntscheuer. Der Weg beim Haus Jakob Erhardt wurde zum Schafackerweg.

Die so genannte Siedlung wurde zur Blumenstraße, diese Bezeichnung ist verdient. Auf dem Kies heißt der Weg, der seither als Kies („Altkies“) bezeichnet wurde. Die rückwärtige Straße wurde zur Jägerstraße. Um die Tradition der dortigen Anwohner zu erhalten. Jetzt kommt die Kelterstraße. Dieselbe geht vom Haus Karl Göltz alt bis zum Haus Bareis. Die Reichsstraße von der Remsbrücke an wurde zur Ritterstraße. Der Weg zu den Pfingstwäsen heißt jetzt Rosenstraße.

Vom Haus Jakob Kutteroff bis zum Hirsch geht die Hauptstraße. Von ihr weg geht die Mühlstraße, in diese mündet dieSeestraße, sie stellt die Verbindung zwischen Mühl- und Schorndorfer Straße her. Die Neue Gasse ist geblieben. Vom Haus Speidel (das frühere Ochsenbergele) bis zum Haus Bahnhofs-Müller wurde dieBahnhofsstraße. Beim Bahnhof heißt der Platz nun Bahnhofsplatz. Vom Adler aus ostwärts geht die Schorndorfer Straße. Von dieser zweigen nun ab, die Seestraße, weiter die Karlstraße. Die Verbindung von Karl- und Seestraße heißt Friedrichstraße. Dann folgt die Wilhelmstraße beim Feinbau. Als letzte die Hermannstraße.

Die seither als Kronenbergele bezeichnete Straße ist geblieben, ebenso die seither als Finkengasse bezeichnete Gasse. Die Westergasse hat ihren Namen beibehalten. Von ihr zweigt das seitherige Herdfeld ab. Der Weg zu den Boinden ist jetzt zur Holzstraße geworden. Vom Marktbrunnen bis zum Bahnübergang ist die Brunnengasse geblieben. Vom Bahnübergang aufwärts ist die Engelberger Straße geblieben. Von dieser zweigt die Gartenstraße ab. Die am Pflaster stehenden Häuser haben als Straßenbezeichnung Am Pflaster erhalten. Das Oberdorf ist geblieben. Die Verlängerung vom Haus Friedrich Hutt an heißt Im Lehenbach. Vom Haus Ernst Kefer an bis zum Haus Oskar Koch heißt der Weg Schlichtener Straße. Die Poststraße wurde zur Schulstraße, diese Bezeichnung ist eher verständlich, als Poststraße, weil derselbe Ausdruck nur von einem schwatzhaften Weib herkam. Die Geißgasse musste der Lerchenstraße weichen. Die seither unter dem Dorfnamen „Siedlung“ laufende Straße wurde zur Blumenstraße, eine Bezeichnung, die diese Straße mit Recht führen kann.“

(Anmerkung: Die Siedlung, die zur Blumenstraße wurde, wird zum zweiten Mal genannt. Offensichtlich handelt es sich bei der letztgenannten „Siedlung“ um die so genannte „Sterrenbergsiedlung“ die den Namen Friedhofstraße erhielt.)

Interessant ist, dass die neuen Hausnummern dann einheitlich von der Gemeinde beschafft wurden und zum Selbstkostenpreis an die Hauseigentümer weitergegeben wurden. Es steht weiter im Protokoll:

Da zur Zeit keine emaillierten Nummerntafeln gemacht werden, werden dieselben durch den Handwerker hergestellt.“

Die neuen Straßennamen bzw. Hausnummern wurden schließlich im Jahr 1950 in einer Messurkunde vom Vermessungsamt amtlich erfasst.

Die Straßennamen auf dem Engelberg und in Manolzweiler wurden, zumindest vermessungstechnisch, erst 1977 vergeben. Es ist davon auszugehen, dass alle weiteren Straßennamen und Hausnummern in Winterbach nach und nach im Zuge der Bebauung vergeben wurden. Heutzutage schreibt das Baugesetzbuch die Benennung einer Straße bzw. die Vergabe einer Hausnummer durch die Gemeinde ebenso vor, wie der Hauseigentümer zur Anbringung einer Hausnummer verpflichtet ist.

Abschließend möchte ich mich bei Wilhelm Althaus für die Besorgung der Archivunterlagen und die vermessungstechnischen Informationen sehr herzlich bedanken.

Jürgen Rieger