Sammlung mit Wandbildern aus der Zeit von etwa 1850 – 1950 im Dorf- und Heimatmuseum aufgetaucht

Als in den Jahren 2008 bis 2010 das Museum renoviert wurde, wurde die Bildersammlung in das benachbarte Haus „Liesel Uetz“ verbracht. Nun haben wir im Rahmen der erneuten Verlagerung begonnen, diese Bilder zu ordnen und zu archivieren.

Neben Gemälden und Zeichnungen, vorwiegend aus Winterbach, großformatigen Familien-, Porträt-, Soldaten- und Vereinsfotos sowie einigen alten Plakaten kam eine ganze Sammlung von druckgrafisch hergestellten Wandbildern, sogenanntem populären Wandbildschmuck, zu Tage. Es handelt sich dabei um religiöse Bilder wie Christusdarstellungen, Schutzengelbilder usw., aber auch um Landschafts- und Genredarstellungen sowie Haussegen, Denksprüche, gerahmte Tauf- und Konfirmationsbriefe, Hochzeitserinnerungen und verschiedenes Andere mehr in gedruckter Form. Aber auch Papiercanevas (auf gelochte Papierbögen gestickte Sprüche und Verzierungen mit Fotos oder Zelluloidapplikationen) sind vorhanden.

Aus dem Aufsatz „Wandschmuck“ von Inka Friesen:

„Mit der Aufwertung des häuslichen Bereichs im 19. Jahrhundert entstand auch der Wunsch, den Wohnraum auszuschmücken. Unter Glas gerahmte, farbige Druckgrafiken entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem populären Wandschmuck. Neue, preiswerte Drucktechniken wie die Lithografie und die Chromolithografie machten die massenhafte Vervielfältigung von Bildern möglich.

Im städtischen Bürgertum waren Landschafts- und Genredarstellungen gefragte Motive, während in ländlichen Haushalten religiöse Bildthemen (sogenannte Andachtsgraphik) dominierten. In protestantisch geprägten Regionen im Südwesten erfreuten sich Christusmotive großer Beliebtheit, in katholischen Gebieten schmückten Herz-Jesu-Bilder, Marien- und Heiligendarstellungen die Wände. Schutzengelbilder und Abendmahlsdarstellungen waren bei beiden Konfessionen verbreitet. Vor allem das sentimentale, heute kitschig anmutende Bildmotiv des Schutzengels wurde in der Öldruckfabrikation ab den 1880er Jahren zum Verkaufsschlager. In vielen Familien hing es über dem Kinderbett oder als Schlafzimmerbild über dem Ehebett, wobei die religiöse Bedeutung nach und nach in den Hintergrund rückte. Daneben ergänzten Haussegen, Wandsprüche und Hinterglasbilder den häuslichen Bestand an Wandschmuck.

Die Bilderwirklichkeit in den Häusern und Wohnungen war vermutlich alles andere als homogen. Häufig existierte ein Nebeneinander von unterschiedlichsten Genres und Motiven, hing Heiliges neben Profanem, fanden katholische Bilder in evangelische Haushalte Eingang und umgekehrt. Mit dem Bedeutungsverlust der Religiosität in der Mitte des 20. Jahrhunderts und neuen Einrichtungsmoden verschwanden die christlichen Bildwerke aus dem Wohnraum.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts erweiterte sich das Spektrum der häuslichen Bilderwelten um private Wanderinnerungsbilder: Tauf-, Konfirmations- und Kommunionsscheine, Hochzeitserinnerungen und Bilder gerahmter Trauer, die Wendepunkte im Leben repräsentierten. Zunehmend ergänzten auch wichtig empfundene Ereignisse und Abschnitte des eigenen Lebenswegs, wie zum Beispiel die Militärzeit oder bestandene Prüfungen, den Wandschmuck.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verbreitete sich eine weitere Technik, die die Bildproduktion grundlegend veränderte: die Fotografie. Ein neues Handwerk entstand – der Beruf des Fotografen. Mit der Kommerzialisierung der Porträtfotografie wurde das neue Medium erstmals einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich. Immer mehr Menschen konnten sich ihr eigenes Porträt leisten. Die Fotografie und mit ihr das Fotoporträt haben die Erinnerungskultur nachhaltig gewandelt.“

Aus dem Aufsatz „Glaube im Alltag“ zur Sammlung „Volksfrömmigkeit“ im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz von Gabriele Stüber und Andreas Kuhn ist dann folgender Absatz entnommen, der die sogenannte Andachtsgrafik betrifft:

„Im Prozess der zunehmenden Säkularisierung von Staat und Gesellschaft werden religiöse Formen und Inhalte mehr und mehr zur Privatsache des Einzelnen und der Familie. In diesem Zusammenhang gewinnen private Frömmigkeitsformen und individuell verfügbare Medien an Bedeutung. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt die Bildproduktion durch die Verbesserung der drucktechnischen Voraussetzungen (siehe oben) einen deutlichen Aufschwung. War Bildschmuck in bürgerlichen Wohnungen bis dahin nur bei sehr reichen Familien anzutreffen, so besteht nunmehr auch für weniger gut gestellte Familien die Möglichkeit, ihr Heim mit recht preisgünstigen Bildern zu schmücken. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert, als die Bildprodukte infolge industrieller Massenfertigung immer billiger angeboten werden, gab es selbst in Arbeiterwohnungen gerahmten Bildschmuck an den Wänden.

Christliche Frömmigkeit ist bis heute ein gewichtiger Teil der Alltagsgeschichte und dies in einem viel größeren Maße, als den Menschen gemeinhin bewusst ist. Der ästhetisierende Blickwinkel würde mit den Attributen „Kunst“ und „Kitsch“, „hübsch“ und „hässlich“ viel zu kurz greifen.“

Uns stellte sich die Frage: Wie kommen die vielen Bilder, die aus allen oben angeführten Bereichen in der Sammlung vorhanden sind, in unser Museum? Kurt Hasert hat gesagt, dass viele von Herrn Pfarrer Nuding ins Museum gebracht wurden. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um Bilder aus der Glaubenswelt gehandelt hat. Möglicherweise haben ihm die Winterbacher die Bilder gebracht, weil sie aus Respekt vor dem Glauben diese nicht einfach wegwerfen konnten oder sollten. Die alten Fotografien entstammen der Sammlung des Museums.

Wir im Heimatverein werden jetzt den gesamten Bildbestand ordnen und archivieren. Das wird sicher einige Zeit dauern. Vielleicht entsteht am Ende ja einmal eine Ausstellung über „Populären Wandbildschmuck aus Winterbacher Haushalten“.

Jürgen Rieger