Fundstücke aus der Winterbacher Geschichte (7)

Säubohnehengste“ und „Kloi-Algier“ Ortsnecknamen für die Winterbacher*innen und Winterbach

Ein Ortsneckname ist die scherzhafte Bezeichnung der Ortseinwohner oder des Ortes durch die Einwohner der Nachbarorte.

In den Heimatbüchern habe ich zu diesem Thema nichts gefunden. Wohl aber gibt es ein Foto vom Festzug zu den Heimattagen 1958, bei dem auf einem Festwagen von Albert Schiek und Adolf Knauß „Säubohnen“ mitgeführt werden.

Im Buch „Schwäbischer Volkshumor“ von Hugo Moser aus dem Jahr 1950 steht über Ortsnecknamen für Winterbach, dass die Winterbacher Einwohner „Säubohne“, heißen. Hier, meint man, würde eine Herabsetzung im Sinne etwa von „Fresset Bohne wie d‘ Säu“ vorliegen. Meine Information ist aber, dass in Winterbach früher sehr viele „Säubohnen“ angepflanzt und wohl auch gegessen wurden. Säubohnen ist einer von vielen Namen für Ackerbohnen (Vicia faba) und diese waren im Altertum gar ein Grundnahrungsmittel für die Zubereitung von Breien, Broten usw.

Ein anderer Neckname für die Winterbacher, der übrigens im Remstal (Schorndorf, Grunbach, Großheppach, Neustadt) mehrfach vorkommt, sei „Salathengst“. Bei Schorndorf wird „Salathengst“ erklärt mit: „Se fresset Salat wie d‘ Hengst Haber“. Das Wort „Salat“ bezieht sich dabei auf einen in diesen Orten verbreiteten „Anbau- und Essgewohnheits-Necknamen“. Soll wohl heißen, dass man viel Salat angebaut hat und auch gegessen hat.

Weiter ist bei Moser zu lesen, dass der Ortsneckname für Winterbach als Gemeinde „Kloi-Algier“ ist. Dies sei ein Gegenspott der Hebsacker für die Winterbacher, diese Hebsack „Kloi-Ägypte“nennen. Begründet wird „Kloi-Algier“ damit, dass die Hebsacker mit diesem Vergleich so etwas ausdrücken wollten wie: „Do goht’s zua wie in Algier!“. Vielleicht bezieht sich das auf den Sklavenmarkt in Algier:

Das Winterbacher „Kloi-Ägypte“ für Hebsack erklärt Moser damit, dass früher die Zigeuner als „Ägyptenleute“ bezeichnet wurden.

Der Winterbacher Schullehrer Benz schreibt in seinem Konferenzaufsatz (Aufschriebe über volkstümliche Überlieferungen) vom 3. April 1902, dass die Winterbacher „Säubohnenhengste“ sind, womit die Säubohnen und die (Salat)hengste vereinigt wären. Diese Ausführungen scheinen mir authentisch zu sein. Also wären die Winterbacher „Säubohnenhengste“ und Winterbach ist „Kloi-Algier“.

Die Hebsacker hießen auch „Storchefärber“, weil sie vor einigen Jahren einen Storch gefärbt haben. Über die ist bei Moser noch zu lesen: Die (alte) Kirche von Hebsack trug auf ihrem stumpfen Turm einst ein Storchennest. – An einem Frühlingstag saßen einigte alte Hebsacker im Wirtshaus, und man erzählte sich die Tagesneuheit: Der alte Storch, der jahrelang in Hebsack gebrütet hatte, war durch einen anderen aus dem Nest vertrieben worden. Gerne hätte man gewusst, woher der Eindringling sei. Ein waghalsiger junger Mann stieg auf den Turm, und es gelang ihm, den Storch zu fangen. In der nahen Färberei wurden ihm die Federn blau eingefärbt. Wieder frei, flog der verwirrte Storch schnurstracks nach Winterbach. –

Hugo Moser schreibt noch etwas zu den Schorndorfern, was auch am Rand mit Winterbach zu tun hat: „Wenn die Schorndorfer als „Froschschenkel“ gelten, so verdanken sie diesen Namen ihren Feinschmeckern. Es wird berichtet, dass Soldaten die Sitte, Froschschenkel zu essen, aus dem 70er Krieg mitgebracht hätten. Der Winterbacher Fischer Theurer verlegte sich daraufhin auf den Froschfang, und seine nach französischer Art zubereiteten Froschschenkel fanden in Schorndorf großen Absatz.“

Schullehrer Benz berichtet auch noch von folgendem Spottvers, den heute noch viele Remstäler*innen kennen:

Schorndorf ist a schene Stadt,
Weiler ist a Bettelpack,
Wenterbach leit gar em Dreck,
Hebsich ist a Storchanest.
Rohrbronn ist der Schneckaberg,
Hösselwarth der Häfamärkt.
In Schnoit, do leit der Kuhdreck broit,
z‘ Rommelshausa, leit er uf de Haufa!

Und dann noch etwas, was man nicht so genau weiß: „Wer ist Winterbächer*in und wer ist Winterbacher*in?“

Die einen sagen, nur wenn man in Winterbach geboren ist, ist man Winterbächer*in. Andere sagen, wenn man nach der Geburt im Krankenhaus gleich nach Winterbach kam, sei man auch Winterbächer*in. Und wieder andere sagen, auch wenn man 25 Jahre in Winterbach wohnt, werde man zum/zur Winterbächer*in. Aber: Nichts genaues weiß man nicht und geschrieben steht auch nichts. Die Bürgermeister haben es immer richtig gemacht, sie sagten: „Liebe Winterbacher*innen, liebe Winterbächer*innen …“. Jedenfalls: Wenn man nicht Winterbächer*in ist, ist man mindestens Winterbacher*in und das sind ja nur zwei Pünktchen weniger. Jürgen Rieger