Erwin Hinderer (1901-1944) – ein Architekt aus Winterbach
Fundstücke aus der Winterbacher Geschichte (11)
Im Heimatbuch von 1996 hat Rolf Jürgen Zeeb Lebensbilder von Winterbachern „nachgezeichnet“, so auf Seite 295 auch das von Erwin Hinderer, dem Sohn des verdienstvollen Schultheißen und Ehrenbürgers Christian Hinderer (1867-1933). Erwin Hinderer wurde am 8. Juni 1901 in Winterbach geboren. Nach dem Studium der Architektur und Lehrjahren in Ludwigsburg und Bremen eröffnete er im Jahr 1930 in Schaan/Liechtenstein ein Architektur- und Planungsbüro, nachdem er zuvor schon bei der Bauausführung des Waldhotels „Liechtensteiner Hof“ in Vaduz bauleitend mitgewirkt hatte.
Im Historischen Lexikon des Fürstentums Liechtenstein ist dann zu lesen, dass Architekt Erwin Hinderer, der als Vertreter der ersten „Stuttgarter Schule“ galt, Stilmittel des „neuen Bauens“ verwendete und sie mit traditionellen Formen, wie z. B. dem Walmdach, mischte. In einem Aufsatz über moderne Architektur im Fürstentum Liechtenstein steht weiterhin, dass Erwin Hinderer gar ein überzeugter Verfechter des modernen Bauens war. Er sei vor allem als Villenarchitekt tätig gewesen, sah aber auch die raumplanerischen Zusammenhänge des Bauens und entwickelte für die Gemeinden Schaan (Villengebiet in den Fluren „Dux“ und „Resch“) und Vaduz Überbauungspläne, um derartig die Ansiedlung neuer Villen in geordnete Bahnen zu lenken. Die Villa Riley in Schaan war ein erster Schwerpunkt seines Schaffens. Es folgten die Planungen weiterer Villen in Schaan und in Vaduz. Auch ist der Umbau des Hotels Dux sein Werk.
In den Jahren 1932 baute Erwin Hinderer außerdem die Zahnfabrik Ramco in Schaan und 1934 die Friedhofskapelle in Schaan.
Aber nicht nur Villen baute er, sondern im Jahr 1933/34 im Auftrag einer englischen Lotteriegesellschaft ein Geschäftshaus im Zentrum von Vaduz. Dieses Gebäude wird als „Engländerbau“ bezeichnet und ist das erste in Stahlskelettbauweise erstellte Bauwerk des Landes. Das Gebäude wurde seither mehrfach umgenutzt und umgebaut. Die 1986 erfolgte Gesamtrenovation wird als beispielgebend im Sinne der Denkmalpflege gesehen. Seit 1992 steht das Gebäude, das seit 1944 dem Land Liechtenstein gehört, unter Denkmalschutz. Es sind darin das Tourismusbüro, das Postmuseum, ein Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst und die Schatzkammer Liechtenstein untergebracht.
Albert Eberle, Leiter des Kulturamts der Gemeinde Schan, hat die Zeit des Architekten und Städteplaners Erwin Hinderer in Schan in seinem Buch „Lindarank – Geschichten um ein Dorfzentrum“ ausführlich gewürdigt. 1935 verfasste Erwin Hinderer als Präsident des Schaaner Verkehrsvereins den ersten „Offiziellen Reiseführer durch das Fürstentum Liechtenstein“.
Im St. Galler Tageblatt vom 05.07.2017 kann man unter anderem lesen: „Trotz seines Ansehens und seiner guten Kontakte entschloss sich Hinderer 1935, zurück nach Deutschland zu gehen, da er sich dort mehr Aufträge erhoffte. Sein Wegzug wurde in den Liechtensteiner Zeitungen mit großem Bedauern vermeldet. Er habe wichtige Impulse für die Dorf- und Verkehrsentwicklung in Schaan gesetzt und sich auch persönlich große Achtung erworben. 1941 wurde Erwin Hinderer als Soldat in den Zweiten Weltkrieg eingezogen und galt seit 1944 in Russland als vermisst. Trotz des kurzen Aufenthalts in Liechtenstein blieb seine Familie bis heute mit Liechtenstein verbunden und pflegt Freundschaften.“
Im Heimatbuch schreibt Rolf Jürgen Zeeb:
„1936 siedelte er mit seiner Familie nach Stuttgart über und beteiligte sich mit einem eigenen Architekturbüro an Wettbewerben, Planungen und deren Ausführung (Robert-Bosch-Krankenhaus und Landeskreditanstalt). In Winterbach baute er unter anderen die Häuser Danner (Im Lehenbach 5) und Scheiger (Schulstraße 5).“
Erwin Hinderer war mit Hedwig geb. Kaufmann aus Stuttgart verheiratet. Sie hatten die beiden Söhne Hans-Jörg, geb. 1933 und Martin, geb. 1937. Frau und Kinder wurden während die Krieges nach Winterbach evakuiert und lebten einige Jahre im Haus der Familie in der Brunnengasse.
Erwin Hinderer hatte zwei ältere Schwestern. Die Schwester Clara (später Klara) ging 1930 mit ihm nach Schaan in Liechtenstein und sollte ihm den Haushalt besorgen. Als der Bruder nach Deutschland zurückging, blieb sie in Liechtenstein und unterstützte ihre deutsche Verwandtschaft während des Krieges mit Care-Paketen. Sie lebte in Schaan, Schaanwald und zum Schluss wieder in Schaan und war dort wegen ihres freundlichen Wesens sehr beliebt. Sie starb am 14. November 1982, 85-jährig und wie es im „Liechtensteiner Volksblatt“ heißt „ledigen Standes“. Die Schwester Elsa, die während des Krieges auf dem Winterbacher Rathaus und später als Beamtin im Landratsamt gearbeitet hat, ist am 29.03.1984 in Schnait gestorben und wurde in Winterbach beerdigt.
Am Grabstein des Ehrengrabes für seinen Vater Christian Hinderer auf dem alten Winterbacher Friedhof ist ein Erinnerungstext an Erwin Hinderer angebracht.
Jürgen Rieger
Nachruf Klara Hinderer im Liechtensteiner Volksblatt