Hühnerhaltung in Winterbach

Noch nach dem Krieg war es in Winterbach normal, einige Hühner, die Winterbacher sagten „Henna“ oder noch früher „Hear“, zu haben. Mit dem Zurückgehen der Landwirtschaft starb die „häusliche“ Hühnerhaltung fast aus. Und doch gibt es im alten Winterbach bei den früheren Bauernhäusern Oberdorf 20 und 24, Bachstraße 30 und Neue Gasse 16 auch heute noch „Hennagärte“ (Hühnergärten) und „Hennaställ“ (Hühnerställe). Neuerdings haben auch einige junge Familien wieder angefangen, Hühner zu halten.

Wie war das nun früher? Fast in jedem Haus hatte man Hühner, sogar der Pfarrer und der Lehrer hielten das Federvieh, um sich mit frischen Eiern zu versorgen. Manchmal gab es auch eine Hühnersuppe.

In den Familien waren es meist die Mutter oder die Großmutter, die sich um die „Henna“ und den „Gockel“ kümmerten und die Tiere versorgten. Wie heißt es bei Wilhelm Busch: „Mancher gibt sich viele Müh‘, mit dem lieben Federvieh …“

Die in Winterbach gehaltenen Hühnerrassen waren in der Regel „Italiener“, „Leghorn“, „Wyandotten“, „Sperber“ oder die schwereren „Rotländer“ (Rhodeländer). Letztere konnten wegen ihres Gewichts nicht so gut in Nachbars Garten fliegen (flattern). Den leichteren Rassen machte man aus diesem Grund eine Klammer an den Flügel oder stutzte die Flugfedern.

Im Frühjahr, wenn die Tage länger und wärmer wurden, setzte bei den Hühnern die Legefreudigkeit ein. Nun wurden im Stall die Nester hergerichtet und mit Stroh ausgelegt. Mit lautem Gegacker taten die Tiere kund, dass sie gelegt hatten. Abends sammelte man die Eier ein. Bei guter Fütterung legten die Hühner den ganzen Sommer recht fleißig.

Aber auch die Nachzucht wollte bedacht sein. Das war ja auch der Grund, einen Gockel zu halten. Wenn man merkte, dass sich ein Tier durch besondere Laute bemerkbar machte, ständig an andern herumpickte, die Flügel spreizte, und auf dem Nest sitzen blieb, dann wollte es brüten. Man sagte, es gluckste und legte dem Huhn bis zu zwölf Eier unter. Das brütende Huhn saß ganz in sich gekehrt, meist mit geschlossenen Augen, auf dem Nest, bedeckte mit seinem weichen Gefieder die Eier, hielt sie warm und war eifrig bemüht, sie richtig unter sich zu haben. Während der Brüterei und der Aufzucht waren die „Glucksere“ (Glucken) am Bauch fast nackt (Brutfleck). Es kam vor, dass ein Huhn zur Futteraufnahme vom Nest genommen werden musste, damit es nicht verhungerte und verdurstete. Man sagte, die „Glucksere“ befanden sich in einer Art von Fieber. Jüngere Tiere brachen den Brutvorgang auch schon mal ab, liefen auf und davon; ältere hatten mehr Ausdauer.

Die Brutzeit dauerte 21 Tage. Oft steckten die „Bibberle“ (Küken) beim Schlüpfen noch zur Hälfte in der Schale, rundum mit Eidotter verklebt. Die „Glucksere“ half dann sanft nach, die Küken zu befreien. Nun durfte die Glucke nicht mehr vom Nest, bis alle Küken von den Eierschalenresten befreit und völlig sauber waren. Das dauerte zwei bis drei Tage. Die Mutter oder die Großmutter legte der Glucke das Futter ans Nest, das sie gierig und dankbar aufnahm. Es gab aber auch „Glucksere“, die verließen, wenn zwei oder drei „Bibberla“ geschlüpft waren, das Nest und kümmerten sich nicht mehr um die restlichen Eier. In einem kalten Frühjahr wurden die Küken auch schon mal in der Stube (Stubenküken) aufgezogen. In manchen Gegenden hießen die „Bibberle“ auch „Luggele“ und sie wurden auch mit Quark aufgezogen. Daher kommt der Name „Luggeleskäs“ oder „Bibberleskäs“

Hühnergarten von Eugen Hutt, 1980

Die „Bibberle“ entwickelten sich dann sehr schnell, bald wurden sie mit der Glucke aus dem Nest gehoben, damit sie selbst Futter suchen konnten. Zunächst kamen sie in den eigens dafür angefertigte „Bibberlesstall“ und der war ringsum mit Draht versehen, damit Katzen und Hunde keinen Schaden anrichten konnten. Zum Schlafen schlüpften die „Bibberle“ immer wieder unter die „Glucksere“. Nach wenigen Wochen konnten die Kleinen ihr Hühnerdasein ohne die Alte meistern, die schloss sich wieder der Hühnerschar an und begann erneut ihre Legetätigkeit.

Wenn man selbst keine „Brüterin“ hatte, kaufte man Eintagsküken oder auch schon mal Junghühner beim durchreisenden Geflügelhändler, auf einem Hühnerhof in Schorndorf oder später auch bei einem Händler, der bei der Raiffeisen-Genossenschaft in Schorndorf stand. Noch im Sommer 1969 haben der Nutzgeflügelhof Fauser aus Waiblingen und H. Pfefferle aus Eppingen mehrere Male Junghennen und Jungenten in Winterbach verkauft.

Abschließend noch ein G’schichtle aus dem alten Heimatbuch:

„Em Onderdorf hot a Weib gwohnt mit viel Henna. Dr Nochber drneba hot a Mischde khet ond sei graischder Stolz isch gwea, wenn sei Mischd recht schö nagsetzt gwea ischd. Dia Henna hend noch dr Schönheit nex gfrogt, se hend halt em Mischd gscherrt, no hot der Nochber brommt: „Bloß weaga deam Sau-Oirfressa haltet dia ihre Hear.“
Des hot d‘ Nochbere khairt, se hot ihr Küchefeaschter aufgrissa ond nausgschria: „Wegam Heardreck eta.“

Oder im Hinblick auf Ostern das Gedicht über Henne oder Ei von Eduard Mörike:

Die Gelehrten und die Pfaffen streiten sich mit viel Geschrei,
was hat Gott zuerst erschaffen, wohl die Henne, wohl das Ei?
Wäre das so schwer zu lösen – erstlich ward ein Ei erdacht,
doch – weil noch kein Huhn gewesen – darum hat’s der Has‘ gebracht.

Jürgen Rieger