Als die Gemeinde Winterbach noch ein eigenes Elektrizitätswerk hatte

„Man schrieb das Jahr 1906, als der damalige Schultheiß Christian Hinderer mit seinen Gemeinderäten den Mut hatte, ein E-Werk, wie man es nannte, zu gründen. Der Strom wurde zunächst mit der Wasserkraft im Mühlkanal des damaligen Remsmühlenbesitzers Schnell erzeugt und den damals noch wenigen Stromabnehmern zugeführt. Die stetige Aufwärtsentwicklung des kleinen Elektrizitätswerkes machte es in den Jahren 1910 bis 1911 erforderlich, zusätzlich von den Neckarwerken Strom zu beziehen.

Zu dieser Zeit war in Winterbach auch die erste Straßenbeleuchtung mit automatischer Schaltung zu sehen. Die Wasserkraft ging im Jahr 1912 mit der Mühle in das Eigentum der Gemeinde über.

Das E-Werk konnte bis zum Jahr 1937 den Strombedarf für sämtliche Abnehmer zur Verfügung stellen. Lediglich die Firma Feinbau musste im Jahre 1937 an die Neckarwerke abgegeben werden, da diese Firma einen zu hohen Stromverbrauch hatte.

Im Jahre 1960 konnte das Gemeinde-E-Werk die Stromversorgung für die Firma Feinbau wieder übernehmen. Das E-Werk hatte auch stets einen konstanten Anstieg des Stromumsatzes zu verzeichnen, andererseits waren aber auch die Aufwendungen des E-Werkes durch das Wachsen der Gemeinde, insbesondere durch die Ansiedlung von neuen Industriebetrieben, sehr beträchtlich. Verschiedene Netzstationen mussten gebaut werden.

Ebenfalls im Jahre 1960 musste die Eigenstromerzeugung durch den Abbau des Remswehres eingestellt werden. Die Hochwasserfreilegung des Ortes und der damit zusammenhängende Ausbau der Rems waren aber wichtiger als die Erhaltung der Eigenstromerzeugung, zumal der Ausbau des Mühlkanales und auch der Aufwand für ein neues Wehr die Leistungskraft des E-Werkes überschritten hätten. Seit diesem Zeitpunkt bezog das E-Werk nur noch Strom von den Neckarwerken. Das alte Betriebsgebäude an der Mühlstraße erfüllte in bauliche Hinsicht und auch in der technischen Ausstattung nicht mehr die neuesten Erfordernisse.

Deshalb wurde im Jahr 1962/63 das alte Gebäude abgebrochen und durch einen zweckmäßigen Neubau ersetzt, indem neben den Werkstätten für E-Werk und Wasserwerk, Lager- und Büroräume sowie zwei Wohnungen für Betriebspersonal eingebaut waren. Das Herz der Anlage bildete eine moderne Stromschaltanlage. Das E-Werk war seinerzeit auf dem besten technischen Leistungsstand. Ein Hochspannungsring umschloss den ganzen Ort, wodurch eine gleichmäßige Stromspannung vorhanden war.“

Textauszug aus dem Heimatbuch 1972 von Erich Hinderer

„Durch die überaus starke Leistungszunahme bei Industrie, Gewerbe und Haushalte mussten neue Versorgungsleitungen vom Umspannwerk Schorndorf nach Winterbach gebaut werden. Ebenfalls wäre es notwendig gewesen, in den folgenden Jahren eine 30 kV-Umspannstation in Winterbach zu erstellen. Diese Vorhaben hätten das E-Werk über 2 Millionen DM gekostet. Das hätte dann für das E-Werk eine solche Belastung bedeutet, dass die Rentabilität gefährdet gewesen wäre. Der Gemeinderat hatte deshalb nach langen Verhandlungen mit den Neckarwerken beschlossen, das E-Werk auf 1. August 1972 an die Neckarwerke AG, Esslingen, zu verkaufen.“

Nach einem Textauszug aus einem Bericht in der Reihe „Remstal“ 1972, von Erich Hinderer

Mit dem Verkaufserlös wollte die Gemeinde eine Turnhalle erstellen. Nach damaliger Vorstellung sollte die Halle an der Mühle bei den seinerzeitigen Sportplätzen gebaut werden. Die alte Turnhalle bei der Schule sollte erweitert werden, damit dort mehr der Schulsport, aber auch kulturelle Veranstaltungen abgehalten werden können, während die neue Halle als reine Sporthalle gedacht war.“

Die Zeit nahm ihren Lauf, die Sporthalle wurde als Salierhalle nicht an der Mühlstraße, sondern an der heutigen Lerchenstraße gebaut, aber die Finanzierung durch den Verkauf des gemeindeeigenen E-Werkes war wohl der wesentliche Baustein. Auch die Schulturnhalle und heutige „Lehenbachhalle“ wurde erweitert. Und heute hat die Gemeinde durch die Beteiligung am Remstal-Werk wieder einen Anteil an einem E-Werk.

Jürgen Rieger